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Wie überwinden wir den Survivorship Bias bei der Nutzersegmentierung?

Survivorship Bias bei der Nutzersegmentierung | epicinsights

Zunächst ein Throwback: Während des 2. Weltkriegs untersuchten die Engländer vom Einsatz zurückkehrende Flugzeuge auf ihre Schäden und Einschüsse. Ziel war es, die Panzerung der Flugzeuge daraufhin an den Stellen zu verstärken, wo besonders viele Einschüsse verzeichnet wurden.

Der Mathematiker Abraham Wald stellte jedoch damals klar, dass dieses Vorgehen einem Trugschluss unterliegt. Es wurden dabei nämlich nur die rückkehrenden Flugzeuge geprüft; also die, die den Einsatz überstanden hatten. Um die Rückkehrquote der Flieger zu verbessern, müssten jedoch die untersucht werden, die nicht zurückkehrten, also die abgestürzten Flugzeuge. Natürlich war das nicht möglich. Daher legte er nahe, vielmehr die Stellen zu verstärken, die nicht getroffen wurden; denn die beschädigten Bereiche der zurückgekehrten Flugzeuge hinderten die Maschinen augenscheinlich nicht am Fliegen.

Was ist der Survivorship Bias?

Es geht also beim Survivorship Bias darum (oder besser bei der Vermeidung dieser kognitiven Verzerrung), nicht dem Trugschluss zu erliegen, dass das vermeintlich naheliegendste zweifelsfrei als das „richtige“ angenommen wird. Es geht darum, nicht direkt sichtbare Ereignisse einzubeziehen und sich darüber bewusst zu werden, dass Erfolge überbetont wahrgenommen werden. In den scheinbaren Niederlagen liegen jedoch möglicherweise viel mehr Informationen, die es zu hinterfragen gilt. Es geht um einen bewussten Perspektivwechsel.

Survivorship Bias und Nutzersegmentierung im E-Commerce
Quelle: t.ly/lDxW / CC BY-SA 4.0

Wie passt das jetzt auf den E-Commerce und das Thema Nutzersegmentierung?

Der Sachverhalt lässt sich tatsächlich sehr gut auf das Analysieren der eigenen Zielgruppe im Online Business, prototypisch im E-Commerce, übertragen. Auch hier ist das Ziel klar: Mehr Kunden gewinnen, mehr Verkäufe generieren, mehr User zur Rückkehr bewegen.

Ich schaue mir im CRM an, wie die Kunden aussehen, die ich schon gewonnen habe. Denn über sie habe ich viele Informationen. Ich kenne ihre Käufe, ihr Geschlecht, ihren Wohnort, ihr Nutzerverhalten und einige Metadaten.  

Darauf aufbauend entwickle ich dann Personas, meine Kundenprofile, die ich wiederum als Basis für das Targeting verwende. Logisch: Ich analysiere, wer meine Kunden sind und suche nach Personen, die als potenzielle Neukunden in Frage kommen. Ich baue mir also über die passenden Eigenschaften entsprechende Schablonen und versuche neue Nutzer zu finden, die in diese Schablone passen. Über Targeting-Möglichkeiten wie Lookalike Audience kann ich diese sogar durch einige ihrer Eigenschaften gezielt „vermehren“ und mit Hilfe anderer Plattformen nach ähnlichen Nutzern Ausschau halten.

Dieses Vorgehen birgt jedoch eine Reihe von Problemen:

  • 1. Mit der Generierung der Personas aus „Käufern“ nutze ich nur die Daten, die bei der Conversion vorliegen. Sagen wir, 3-5% der Nutzer, die täglich auf meinen Shop kommen, konvertieren (im B2B Geschäft ist es nur ein Bruchteil). Das heißt, ich nutze 95% meiner Nutzerdaten NICHT, um ein Verständnis meiner Audience zu entwickeln und neue Kunden zu erreichen.

  • 2. Neben datenschutzrechtlichen Bedenken bei Lookalike Audiences durch den Upload meiner Kundendaten bei Facebook & Co, bin ich ab diesem Zeitpunkt vollkommen abhängig von der Plattform. Die vorherrschende Intransparenz verwehrt mir komplett die Nachvollziehbarkeit, welche Zielgruppen ich überhaupt erreiche und wie gut das Matching wirklich funktioniert.   

  • 3. Folge ich dem CRM-Ansatz, kann ich nicht bewerten, ob die mir vorliegenden Daten überhaupt die richtigen sind und ob sie die Nutzer hinreichend breit repräsentieren, die sich für meine Produkte interessieren. (Analogie: Die Einschusslöcher der abgestürzten Flugzeuge kann ich ebenso wenig analysieren.)

  • 4. Für korrektes Targeting spielen vor allem Timing und Kontext eine wichtige Rolle – also Metadaten, die ich beim CRM-Ansatz eben nicht automatisch als Nutzereigenschaften mitbekomme. Diese liefern nur die Ad Plattformen – die wiederum die Metadaten meiner Nutzer nicht verknüpfen können.

  • 5. Meinen Erfolg kann ich nur dadurch bestimmen, ob die Conversions der neuen Audience der entsprechen, die ich mit meinen bisherigen Kunden hatte. Aber auch hier: Survivorship Bias Alarm! Nur weil ich die gleiche CR / Sales Quote habe, kann ich daran nicht sicher bewerten, ob diese gut oder schlecht ist, wenn ich nicht die Nicht-Konvertierer betrachte und hinterfrage. Ich zäume das Pferd quasi von hinten auf, ohne dass ich über die Bedürfnisse meiner User mehr Wissen generiere. Bequem und einfach: Ja. Nachhaltig: Nein. 

  • 6. Durch den Schablonenansatz verfalle ich in eine Spirale sich stetig wiederholender, selbsterfüllender Prophezeiungen – ich enge so meine reale Nutzerwelt und damit die Potenziale zur Neukundenakquise stark ein. Ich nehme immer den gleichen Snapshot meiner Käuferkunden-(Eigenschaften). Diesen dupliziere ich, indem ich ähnliche User wieder via Targeting erreiche und daraus neue Conversions generiere. Diese – wer hätte es gedacht – passen wieder genau in meine „Persona-Schablone“, die ich dann wieder für das Targeting „neuer“ Nutzer verwende usw.

Im „klassischen“ Vorgehen ist die Gefahr also sehr hoch, dass ich dem Survivorship Bias unterliege; zumindest, wenn ich nicht konkret auf Bestandskundenentwicklung fokussiert bin, sondern Neukunden gewinnen möchte.

Denn: Nur diejenigen zu betrachten, die kaufen, sagt mir noch lange nicht, wie ich solche konvertiere, die nicht kaufen.

Wie kann ich den Survivorship Bias im Online Business minimieren?

Die (zu) einfache Antwort: Hört auf, Nutzer in Schablonen bzw. Schubladen zu pressen! Dieser antiquierte Ansatz ist weder dynamisch, noch hat er irgendetwas mit der Realität eurer Nutzer zu tun. Schablonen haben nur einen einzigen Sinn: Sie machen die komplexe Welt einfach, verständlich, handhabbar. Andererseits steht diese fälschlicherweise verkleinerte Welt fernab der Realität, die leider sehr komplex und chaotisch ist. Menschen lassen sich in ihrem Verhalten nicht in Schablonen pressen. Ein Kunde, der heute ein bestimmtes Verhaltensprofil hat, kann morgen oder übermorgen ein ganz anderes haben, mit anderen Zielen, Intentionen und Bedürfnissen. Das „klassische“, starre Segmentierungsvorgehen bildet diese Dynamik nicht ab. Kurz gesagt lasse ich als Unternehmer viel Potenzial ungenutzt.

Der Lösungsansatz: dynamischer und kundenorientierter!

Um mir ein umfängliches Bild über meine Nutzer zu verschaffen, darf ich mir nicht ausschließlich die Käufer anschauen, sondern muss ALLE Nutzer mit im Blick haben. Und um besser zu verstehen, wie ich Nutzer konvertiere, muss ich mir die anschauen, die nicht konvertieren. Ich muss vor allem die Dynamik des Nutzerverhaltens in die Analyse mit einbeziehen. Mir muss klar sein, dass sich Kundenbedürfnisse quasi mit jedem Besuch oder sogar während eines Besuches ändern können. Und darauf muss ich in irgendeiner Form reagieren können.

Der Einbezug von Metadaten und damit der zeitlichen Perspektive ist besonders wichtig. Diese geben Aufschlüsse über den aktuellen Nutzungskontext während des Seitenbesuchs und bei der Kaufentscheidung.

Wie überwinden wir den Survivorship Bias?

Als Lösung für die o.g. Probleme haben wir sogenannte Fluide Personas entwickelt. Sie sind unser Weg, mittels Künstlicher Intelligenz objektiv und datengetrieben das Verhalten aller Nutzer zu analysieren und auch die Signale der Nicht-Kunden miteinzubeziehen. Sie zeigen dabei bspw. nicht nur, welche Seiten gern aufgerufen werden, welches technische Setup (bspw. Browser oder Betriebssystem) die User nutzen und welcher Content, wann konsumiert wird. Fluide Personas geben auch einen direkten Überblick, wie diese Eigenschaften miteinander zusammenhängen hinsichtlich der Entscheidung zum Kauf – oder eben zum Nicht-Kauf.

Darüber hinaus berücksichtigen Fluide Personas das dynamische Verhalten der Nutzer, indem Sie wechselnde Verhaltensweisen in die Analyse einbeziehen. Dieses Wissen darum, was den Nutzern objektiv wirklich wichtig ist, nutzen wir dann, um für unsere Kunden eigene prädiktive Algorithmen zu entwickeln, um z.B. Content zu personalisieren oder Strategien für die Content Kreation und dessen Distribution über verschiedene Kanäle abzuleiten.

Datengetriebene Nutzersegmentierung

Die wenigsten Agenturen und Unternehmen besitzen die richtigen Prozesse, Ressourcen und Technologien für explorative, datengetriebene Nutzersegmentierungen.

Wir ändern das.

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